Die Geschichte der Physiognomik – ein kurzer Abriss

Ursprung Psycho-Physiognomik

Die Physiognomik, die Grundlage der Psycho-Physiognomik, fasziniert die Menschheit schon seit tausenden von Jahren. Sie ist, ähnlich wie die Akupunktur, eine Methodik zur Erkenntnisgewinnung, die größten Teils wissenschaftlich belegt ist, dennoch funktioniert und in vielen Bereichen bereits erfolgreich angewendet wird.

Schon in den älteren Kulturen der Chinesen, Inder und Griechen spielte diese Form der Menschenkenntnis eine bedeutende Rolle.

Die Ursprünge der Psycho-Physiognomik sind rund 2000 Jahre vor Christus im alten China und in Indien zu finden, wo die Erkenntnisse bereits verschriftlicht wurden.[1] Auch in der griechischen Antike beschäftigten sich Philosophen und Gelehrte mit der Physiognomie des Menschen und stellten Zusammenhänge zwischen Ausprägungen des Gesichts und Verhaltensweisen her.

Sokrates und sein Schüler Platon hatten tiefe Kenntnis davon, inwiefern die menschliche Natur mit den äußerlichen Formen von Körper und Kopf in Zusammenhang steht. In ihren Werken beschrieben sie Ausdrucksformen und brachten diese in Beziehung mit Charaktereigenschaften wie Besonnenheit, Klugheit, Edelmut usw.

Hippokrates von Kos wurde bereits zu Lebzeiten verehrt. Er gilt als Begründer der wissenschaftlichen Medizin und wichtiger Vordenker der Patho-Physiognomik, wonach sich körperliche Veränderungen bei Gesundheit oder Krankheit vorrangig im Gesicht zeigen.

Im europäischen Mittelalter trat das Interesse an der Physiognomik in den Hintergund, mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert wurde sie auf dem europäischen Kontinent erneut populär und entwickelte sich weiter.

18./19. Jahrhundert

Der Philosoph, Schriftsteller und reformierte Pfarrer Johann Caspar Lavater (1741-1801) setzte einen wichtigen Meilenstein in der Geschichte der Psycho-Physiognomik. Mit seinem Werk in vier Bänden „Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe“ (1775-78) trug er wesentlich zur Popularität der Psycho-Physiognomik in Deutschland bei.[2]

Seine Theorien wurden lebhaft diskutiert, unter anderem von Friedrich Schiller (1759-1805) und Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), die beide in dieser Zeit zu den bekanntesten Interessierten und Befürwortern der Psycho-Physiognomik zählten. Goethe unterstützte Lavater bei den ersten beiden Bänden seines Hauptwerkes. Er übernahm das Lektorat und fertigte Schattenrisse für Lavater an.

Auch der deutsche Philosoph, Autor und Hochschullehrer Arthur Schopenhauer (1788-1860) beschäftigte sich intensiv mit der Lehre der Psycho-Physiognomik. In seinem Werk „Parerga und Paralipomena II“ schrieb er 1851 unter anderem ein Kapitel „Zur Physiognomik“.[3]

Neue Betrachtungen in den Naturwissenschaften und die Forschungen von Lavater, Piderit und Franz Joseph Gall brachten schließlich fundiertere Erkenntnisse, die von Carl Huter (1861-1912), einem renommierten Schweizer Psychologen, viele Jahre später in seinem fünfbändigen Gesamtwerk „Menschenkenntnis“ (1904-1906) zusammengefasst wurden. Huter entwickelte eigene Thesen aus der Physiognomik und der Phrenologie, überprüfte seine Erkenntnisse und veröffentlichte als Erster ein Gesamtbild der Physiognomik.[4]

Carl Huter gilt heute als einer der bedeutendsten Vertreter der Psycho-Physiognomik, auch wenn seine Forschungen schon über einhundert Jahre alt sind.

Gegenwart

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Huter‘schen Theorien u. a. von der Deutschen Wilma Castrian (*1932) aufgegriffen und weiterhin durch Physiognomiker wie Dirk Schneemann (*1964) systematisiert. Mit dem Ergebnis, dass die Analysen heute deutlich präziser sind. Im Schneemann-System (Facemap) entsteht eine erkennbare Wechselwirkung der einzelnen Areale untereinander.

In den Vereinigten Staaten gibt es Wissenschaftler, wie die berühmte Anthropologin Dr. Helen Fisher, die sich mit diesem Thema verstärkt auseinandergesetzt haben.[5] Auch in anderen Fachbereichen, wie der Hirnforschung, Hormonforschung etc., wurden viele Thesen, die durch Physiognomen aufgestellt wurden, wissenschaftlich belegt. Dadurch wird die Physiognomik bestätigt und in ihren Aussagen immer präziser.[6]

In der heutigen Zeit erlebt die Physiognomik einen erneuten Zulauf an Interessierten. Bücher zum Thema Physiognomik oder Facereading schaffen es nicht selten auf die Bestsellerlisten.

Auch in aktuellen Medien wird das Thema immer häufiger aufgenommen (FÜR SIE, Ausgabe 24, 2014, „Schau mir ins Gesicht“ | NDR KULTUR, August 2014, „Im Angesicht der Profilerin“ | DIE WELT, 13.01.2015, „Stirn und Unterkiefer verraten den geborenen Chef“). Sogar das Fachblatt PSYCHOLOGIE HEUTE hat das Thema auf die Titelseite gebracht und in einem Artikel auf viele weitere Studien verwiesen.[7]

Trotzdem bleibt die Thematik umstritten. Der freie Zugriff auf Informationen im Internet eröffnet jedoch allen Menschen die Möglichkeit, die Physiognomik zu hinterfragen und interdisziplinär weiterzuentwickeln.

Die IQ Face Academy sieht sich im Dienst der Physiognomie, um eben diese Entwicklung weiter voranzutreiben und aktiv zu gestalten.

Fußnoten/Anmerkungen

(1) Eines der ältesten Bücher zu diesem Thema ist das „Puggala Pannatti“ („Das Buch der Charaktere“) aus der Zeit 300 vor Christus. Es beschäftigt sich mit der menschlichen Wesenskunde, u. a. enthält es eine Charakterisierung und Klassifizierung von Menschentypen hinsichtlich ihrer Gottesnähe (Hindu-Gott Brahma) bzw. -ferne (Puggala Pannatti – Das Buch der Charaktere von Nyanatiloka, Oskar Schloß Verlag 1995).

(2) Johann Caspar Lavater: Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe. 4 Bände, Hildesheim, Weidmann 2002. 4° (Quart), Original Leinen (OLn.), Nachdruck der Ausgabe Leipzig und Winterthur 1775.

(3) Arthur Schopenhauer: Parerga und Paralipomena. Kleine Philosophische Schriften. Zweite und beträchtlich vermehrte Auflage aus dem handschriftlichen Nachlasse des Verfassers, herausgegeben von Julius Frauenstädt. Hahn, Berlin 1862.

(4) Menschenkenntnis durch Körper-, Lebens-, Seelen- und Gesichtsausdruckskunde, Carl Huter, Verlag Weisses Licht, 2014, 6. Auflage.

(5) Helen E. Fisher (Department of Anthropology at Rutgers University, New Jersey), „Relationships between specific facial structures and testosterone and estrogen activities“.

(6) Brock University: J.M. Carre, C.M. McCormick (2008).“In your face: facial metrics predict aggressive behavior in the laboratory and in varsity on professional hockey players.“ Proceedings of the Royal Society B, p. 1-6.

(7) Pincott, Jena, „Was uns ein Gesicht verrät“, in: PSYCHOLOGIE HEUTE, Heft 3, März 2013, S. 20-31.